Meine ursprüngliche Aufgabe für das Schreiben eines Blogposts war es, einen Einblick in meine Arbeit beim Konkursbuch Verlag zu geben. Aus meinem ersten Beitrag wurde anstelledessen eine Erzählung über meine erste Erfahrung mit der Berufswelt. Und auch in diesem Blog schweife ich ab. Was ich jetzt erzählen möchte, ist, welche Bücher mir im Gedächtnis hängen geblieben sind (der Bericht über die konkrete Arbeit folgt hoffentlich in einem dritten Blogbeitrag), da ich in meinen Aufgaben das gesamte Programm des Verlags zumindest für einen Moment gesehen habe. Es ist viel, und ich habe von einem Bruchteil davon Stücke gelesen. Dazu kam es, als ich Leseproben für die neue Homepage des Verlags herausgesucht habe.
„Die Änderungen kann man sofort auf der Webseite sehen!“, erklärte Claudia Gehrke. Es war eine Warnung. Die Befürchtung war klar: ‚Ich weiß nicht, ob ich dir damit trauen kann.‘
Verletzend, wenn es von Bekannten kommt (Ich war neu). Verständlich, wenn man der Neuling ist, der sich nicht bewiesen hat (Ich hatte bisher genau ein Buch korrekturgelesen). Vernünftig, wenn man mit Jimdo arbeitet (Jimdo ist der Hosting-Service für diese Webseite). Mit Jimdo kann man nämlich nichts rückgängig machen. Und, wie gesagt: Besucher sehen alles fast sofort.
Also gab es eine Schulung für meinen Aufgabenbereich mit der Webseite. Erst dann erhielt ich das Privileg des Login in die bereits geöffnete Seite, später, als ich mir das Vertrauen erarbeitet hatte, das des Passworts.
Ich suchte also Leseproben heraus und begann, eine Liste der Bücher zu notieren, über die ich schreiben wollte. Nebenher war auch noch anderes zu tun. Ich vergaß bald in der Vielfalt an Arbeit, diese Liste weiterzuführen. Eine kleine, unvollständige ist in meinem Kopf geblieben, Bücher, zu denen ich zurückkehren möchte: Andrea Karimés Die Briefträgerin, und Salean A. Maiwald Schwebebahn zum Mond, beide, weil ich ihre Protagonistinnen in ein, zwei Absätzen schon ins Herz geschlossen hatte. Olive Feuerbach, Teresas Berichtsheft (Eine Weile habe ich das als ‚Teresas Beichtheft‘ gelesen, was ein genauso passender Titel wäre), das aus anderen Gründen interessant ist, auch fällt mir Regina Nössler, Wie Elvira ihre Sexkrise verlor ein, und Dagmar Fedderke, Die Geschichte mit A, und, dass ich definitiv einiges vergesse.
Dass so eine Liste etwas verdächtig klingt, ist mir bewusst. Und in gewisser Weise ist sie komplett unverlässlich, weil ich vergessen hatte, daran weiterzuarbeiten und mir längst nicht mehr alle einfallen, und weil viele Bücher gar keine Chance hatten, darauf zu sein – nicht jedes Buch hat schon eine Leseprobe. Aber zumindest kann ich versichern, dass es sich hier nicht um eine plumpe Verkaufsempfehlung handelt. Dass dabei ganz nebenbei eine Wunschliste für ein mögliches Abschiedsgeschenk entsteht, ist übrigens nur ein glücklicher Zufall. Oh, und ein, zwei Fotobücher vonThomas Karsten wären auch toll.
Einen ganz besonderen Eindruck hinterlassen hat jedoch Silke Andrea Schuemmer, Nixen fischen, nicht, weil ich kurz mental stolperte und überlegte ob man Nixen nicht mit zwei ‚x‘ schreibt, das ‚i‘ ist ja kurz, und auch nicht, weil ich immer noch nicht nachgefragt habe, wie man eigentlich „Schuemmer“ ausspricht. Sondern weil es Prosa von einer Lyrikerin ist: Dicht geschrieben, voller Sprachbilder und enorm direkt mit seiner Stimmung. Es war außerdem das erste Buch, wo ich sofort wissen wollte, wie es sich verkauft hat. Es ist düster und bedrückend, hat magischen Realismus, BDSM-Untertöne, sexuelle, na ja, Töne, und dichte Prosa. ‚Sowas räumt Preise ab, oder?‘, dachte ich mir.
Anscheinend nicht. Ich war sehr irritiert, dass meine Klischees nicht bestätigt wurden (vielleicht, weil es keinen aktuellen Brennpunkt zum Thema hat, oder historischen Rahmen), und ich tat mein Bestes, eine passende Leseprobe zu finden. Etwas zaghaft versicherte ich mich noch bei der Chefin, dass die Leseprobe, die ich gewählt hatte nicht zu heftig ist, und dann setzte ich meine Arbeit fort.
Einige Zeit später kümmerte ich mich dann darum, Rezensionsausschnitte auf die neue Webseite zu bringen und lande wieder bei Nixen fischen. Diesmal machte ich ein kleines Projekt daraus, dem Buch die Shop-Seite zu geben, die es verdient. Jedes bisschen Macht, das mir mit jenem Passwort gegeben wurde, verwendete ich. Rezensionen, Leseprobe, alles wurde darauf getrimmt, eins zu sagen: „Dieses Buch ist unangenehm.“
Dass ich das wagte, liegt zwar auch daran, dass das Buch schon seinen Verkaufshöhepunkt hinter sich hat, vor allem geht es mir aber darum herauszufinden, ob die Herausforderung der beste Weg ist, Aufmerksamkeit auf Nixen fischen zu lenken: Es ist unangenehm, einprägsam, intensiv und sicher keine „schöne“ Belletristik. Die dichte, geschliffene Prosa ist der Grund, aus dem das Buch gut ist, aber nichts sonst. Wenn das Alleinstellungsmerkmal von einem Buch die erdrückende Atmosphäre ist, dann werden viele Leute das sicherlich nicht kaufen, aber eben auch nicht später bereuen. Dann gibt es aber die Leute, die diese Herausforderung wollen, vielleicht, weil sie gerade keine angenehme, sondern eine intensive Erfahrung suchen, keinen netten Nachmittag, sondern etwas Einprägsames. Und wie soll man wissen, dass Nixen fischen letzteres ist, wenn ich das den Leuten nicht zeige?
Franz Spengler
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