Die Zeit rast. Quasi über Nacht wird aus dem schnullernden Säugling ein pubertierender Fahrschüler und aus dem faltenfreien Antlitz eine Knittervisage. Und aus dem blutigen Verlagsneuling eine alte Verlagshäsin? Nun ja, dafür müsste dann doch noch ganz gewaltig an der Uhr gedreht werden. Oder am Kalender. Ein Jahr beim Konkursbuch Verlag liegt - unglaublich! - allerdings tatsächlich bereits hinter mir. Ein ganz besonderes Verlagsjahr, Corona geschuldet.
Tatsächlich rast auch die Zeit mit Corona. Das fühlt sich allerdings nur rückblickend so an. Gespickt war die rasende Corona-Zeit nämlich mit kaugummizähen Momenten – privat und beruflich. Erzwungene Entschleunigung beim ersten Lockdown im vergangenen Frühjahr: Die Verunsicherung war groß wegen des noch nie dagewesenen Shutdown-Szenarios. Etwas anders sieht die Lage beim zweiten Lockdown aus, also seit Dezember: In die Verunsicherung und ins Verständnis für die Maßnahmen, die das Virus in Schach halten sollen, mischt sich ganz langsam eine Portion Genervtheit. Der Stillstand macht mürbe. Dem langen Atem geht so langsam die Puste aus. Sowohl privat als auch beruflich.
Wenig von dem, was ich im ersten Jahr beim von Claudia seit so vielen Jahrzehnten erfolgreich geführten Verlag mit organisiert habe, konnte auch wirklich wie vorbereitet stattfinden. Bis kurz vor knapp war im letzten Jahr nicht klar, ob die Leipziger Buchmesse abgesagt werden muss. In diesem Jahr dann wieder die gleichsam gefürchtete wie erwartete Absage – mit mehr Vorlauf. Vorbereitungen waren zu diesem Zeitpunkt aber natürlich auch schon getroffen. Dasselbe in Grün mit der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Herbst. Dabei hätte ich doch so gerne endlich mal eine Buchmesse besucht. Unglaublich, aber wahr: Mit Mitte vierzig war ich noch nie auf einer, weder privat noch beruflich. Hallen voll mit Büchern, die druckfrisch den schönsten aller Gerüche verströmen: von Kindesbeinen an eine paradiesische Vorstellung für mich Bilderbuch-Leseratte. Aber da war immer irgendwas, was dazwischenkam. Glaubte man an Schicksal, könnte man fast meinen, die Buchmesse und ich, wir sollen einfach nicht sein. Nachdem mir ein solcher Schicksalsglaube aber fremd ist, hoffe ich einfach mal weiter. Auf Herbst. Auf Frühling. Und wieder auf Herbst.
Orte für Lesungen aufzutun für unsere dafür durchaus zu begeisternden Autorinnen und Autoren, das stellt sich schon ohne Corona nicht allzu einfach dar. Die Konkurrenz ist schließlich groß. Massen an Büchern drängen auf den Markt. In Pandemie-Zeiten allerdings gleicht es einem aussichtslosen Unterfangen, eine Lesung zu organisieren. Kaum war im vergangenen Jahr eine solche vereinbart, musste sie wieder abgesagt werden. Ausnahmen über den Sommer und im Frühherbst bestätigen die Regel. Auch die Love Bites, die seit Jahren beliebte erotische Verlagsrevue, fiel mehrfach Corona und den in Innenräumen seit Covid-19 so gefürchteten Aerosolen zum Opfer.
Wenig bis nichts lässt sich dieser Tage planen. Veranstaltungswillige und Veranstalter hängen in der Luft. Sisyphos lässt grüßen. Mit vielen schönen Online-Lesungen haben „unsere“ Autorinnen und Autoren auf ihre Werke 2020 aufmerksam gemacht - zum Teil neu erschienen (immerhin das klappte, neue Bücher erschienen. So habe ich doch etwas geschafft: Claudia bei Lektorat und Korrektorat zu unterstützen). Leider bekommt wegen der digitalen „Corona-Flut“ aber nicht jeder einzelne der mit viel Engagement und Herzblut gestalteten Beiträge die Aufmerksamkeit, die er auch verdient hätte. Die Buchmesse-Veranstalter haben sich bemüht, Besucher online auf ihre abgesagten Messen zu holen und kreativ Möglichkeiten geschaffen, wie Teilnehmer sich dort virtuell präsentieren können. Auch hier gingen viele tolle Auftritte im Online-Dschungel unter, denn: Auf Dauer macht Klicken im Netz ohne „echte“ Begegnung kraftlos. Stichwort langer Atem.
Begegnungen. Sie fehlen derzeit so vielen und allenthalben. Ich bilde da keine Ausnahme. Auch im Verlag pausiert der Austausch von Angesicht zu Angesicht coronabedingt weitgehend. Treffen in Restaurants mit Gartenterrasse waren im letzten Sommer immerhin möglich: Eine willkommene Abwechslung zum ansteckungssicheren, aber bisweilen doch tristen tagtäglichen Homeoffice.
Mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen steigt die Hoffnung. Auf einen Frühling mit Begegnungen. Auf einen Sommer mit Begegnungen. Und immer so weiter.
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Claudia (Donnerstag, 25 Februar 2021 19:32)
Wollte nur testen, wie die Kommentarfunktion funktioniert. Und zum Beitrag: freue mich, dass Amancay seit über einem Jahr mit im "Verlagsboot" rudert ...