Dagmar Fedderke: Pissing in Paris

Leseprobe


aus “La Rontonde”

Die Bar “La Rotonde” befindet sich in der rue St. Denis, heiße Meile von Paris, nicht weit vom Coste entfernt.

Dort machte ein Freund folgendes Abenteuer mit: Das Klo war im Untergeschoß. Dort tat sich ein verstaubter Tanzsaal auf, ungenutzt seit der Vorkriegszeit, ganz am Ende die beiden Türen mit (M) Messieurs und D (Dames). Die M-Tür war verschlossen, die D-Tür leicht geöffnet, dort wusch sich eine Dame unter den Armen. Wenn Mann nötig muß, ist er sogar bereit, ein Damenklo zu benutzen, wenn das Herrenklo außer Betrieb ist, aber in diesem Fall blockierte die sich Erfrischende mit ausgiebigem Wasserplantschen am Waschbecken den Zugang. (Wenn sie wenigstens gepinkelt hätte). Zu dem Unglücklichen gesellte sich ein anderer. Man wartete gemeinsam eine geduldige Weile, selbstbeherrscht, dann wurden Untersuchungen vorgenommen, und es stellte sich heraus, daß das Männerklo nicht außer Betrieb war, sondern ein Münzschloß hatte. Nur, wer hatte Münzen? Beide waren Ausländer verschiedener Herkunft, man tauschte Münzen, gebärdenreich, und konnte endlich normal weiterleben.

 

Die Rontonde gibt es nicht mehr. Das ganze Lokal wurde durch einen radikalen Umbau auf den neusten Stand der Technik gebracht, der uns immer so kalt und unverträumt vorkommt, weil er noch keine Geschichten erzählen kann.

 

Hier gibt es jetzt alle Biere der Welt. Über die Preise kriegte sich ein deutsches Besucher-Ehepaar in die Haare. Er: “Zu Hause, im Tennisclub, krieg ich das Bier für eine Null weniger.” Sie darauf: “Dann geh doch nach Hause, du Arschloch!”

 

Ich flüchtete aufs Klo. Die Spülung befand sich an der Wand in einem Metallrechteck, ein Kippschalter. Bei der Betätigung fiel die ganze Verschalung neubaumäßig zu Boden. Es wird nicht lange dauern, dachte ich, dann hat dieser Ort seine Geschichte.

 

© konkursbuch Verlag Claudia Gehrke