Ute Gliwa: Alberta und ihre Männer

Leseprobe


Ich wanke am frühen Abend hinüber, kurz habe ich ein Taxi in Erwägung gezogen, doch für zwei Blocks lohnt es sich wirklich nicht. Lisa hat meine Terrasse okkupiert und liest im Schein von ein paar funzeligen Lampions, die sie an den Wäscheleinen verteilt hat, ein Buch.

»Gemütlich«, sage ich und lasse mich auf den Stuhl ihr gegenüber plumpsen.

»Ah, du lebst noch«, erwidert sie freudig.

»Gerade so.«

»Drei Tage. Nicht schlecht. Hab schon überlegt, die Botschaft zu informieren.«

Ich entringe mir einen gequälten Gesichtsausdruck.

»Sorry, aber da war nichts zu machen. Ich will ja nicht angeben, aber Himmelherrgott noch mal, dieser Mensch ist nicht von dieser Welt. Nicht nur, dass ich so was noch nie erlebt habe, ich hätte mir auch niemals überhaupt träumen lassen, dass so was möglich ist. Meine Güte.«

»Siehst du, ich hab’s dir gleich gesagt. Gut, dass du auf mich gehört hast.«

»Von wegen. Und was ist mit Daniel?«

»Wart’s ab, in einer Woche bist du zu Hause, dann wirst du ja sehen, ob er überhaupt noch was von dir will.«

Und wenn doch? Ich habe ihm all die Wochen und Monate das Gefühl vermittelt, dass ich sehnsüchtig auf ihn warte, ich kann ihm unmöglich kurz vor dem Ziel offenbaren, dass ich es mir doch anders überlegt habe. Das entspricht so gar nicht meiner romantischen Ader. Beim Gedanken jedoch, dann nicht mehr mit Serge schlafen zu können, krampft sich mir der Magen schmerzhaft zusammen. Eine Woche nur noch.

 

Lisa und ich gehen zusammen unser obligatorisches Steak essen, aber tanzen muss sie allein, ich brauche dringend Schlaf. Ich zwinge mich, die Nacht allein in meinem Hotelbett zu verbringen, wie ich es Serge auch angekündigt habe. Wir sind am nächsten Tag um die Mittagszeit bei ihm verabredet, ich sollte es wirklich bis dahin aushalten können. Wie erwartet schlafe ich sofort fest ein.

 

Auf dem Weg zu Serge fällt mir ein, dass ich seit Tagen nicht mehr nach Mails geguckt habe. Kurz überlege ich, es jetzt zu tun, aber ich verwerfe es gleich wieder, denn es ist mir in diesem Moment herzlich egal, und ich muss dringend zu Serge. Er nimmt mich sofort im Flur gegen die Wand gedrückt, dann trägt er mich, meine Beine um seine Hüften geschlungen, mühelos ins Bett.

 

Nach zwei weiteren Tagen unermüdlichen Spieltriebes beschließen wir, zusammen auszugehen. Ich habe nur noch vier Tage bis zu meiner Abreise, höchste Zeit, mal wieder Tango zu tanzen, allein, ich kann es nicht mehr, jedenfalls nicht mehr mit Serge. In seinen Armen auf dem Parkett stehend, verspüre ich einzig den Wunsch, ihn zu küssen, seinen Hals mit leidenschaftlichen Bissen zu übersäen, seine Hinterbacken fest zu ergreifen, um ihn dichter an mich zu pressen.

 

Ich kann mich überhaupt nicht aufs Tanzen konzentrieren, ich kann Serge nicht mehr folgen, trete ihm auf die Füße und entschuldige mich andauernd verlegen kichernd. Er lacht, aber ich glaube, er ist ein bisschen genervt. Ich zwinge mich, mit ein paar anderen Männern zu tanzen, obwohl ich überhaupt keine Lust dazu habe und eifersüchtig bin auf alle Frauen, die Serge einträchtig an mir vorbeimanövriert. Er tanzt mit allen besser als mit mir. Erst als wir wieder allein im Bett sind, fühle ich mich erneut vollkommen glücklich.

 

Mit den Iguazú-Fällen wird es wieder nichts, wie auch mit dem Teatro Colón. Serge wird noch zwei Wochen länger bleiben, bevor er nach Brüssel zurückkehrt. Er fragt, ob wir uns wiedersehen werden. Ich habe ihm nichts von Daniel gesagt, was auch, wenn ich selbst nicht weiß, woran ich bin, und antworte ausweichend. Wir tauschen E-Mail-Adressen aus, alles Weitere wird sich finden.

 

© konkursbuch Verlag Claudia Gehrke