Leseprobe Kim Sagwa: Ich, B und Buch


... Der Regen wurde immer stärker. Der Wind wirbelte von links nach rechts und dann wieder nach links zurück. Mein Körper schwankte im Takt mit. Der Himmel war ein riesiges Meer, das nun auf mich herabprasselte. Das Meer prasselte aufs Meer herab. Der Strand und auch der Weg wurden zum Meer. Es regnete noch heftiger. Die riesigen Wellen schlugen auf die Wellenbrecher ein und streckten ihre Hände nach meinen Knöcheln aus. Ich war so überrascht, dass ich anfing zu weinen. Meine Augen wurden auch zum Meer. Meine Backen, mein Hals, meine Schultern und auch mein Bauchnabel wurden zum Meer. Alles war Meer. Wir alle waren gleich. Also waren wir doch auch alle auf der gleichen Seite. Ich war auf der gleichen Seite wie die Wellen, der Himmel, die Erde, das Meer und das Wasser. Als ich so darüber nachdachte, hatte ich plötzlich überhaupt keine Angst mehr. Ich war die Wellen. Ich war der Himmel. Ich war die Erde und das Wasser. Ich streckte beide Arme nach oben. Meine Tasche fiel zu Boden. Der fallende Regen und ich, ich und die Wellen und das Meer, die Erde und das Wasser, wir alle waren eins. Der Regen wurde stärker und mit ihm zusammen wurde auch ich stärker. Wir wurden alle gemeinsam stärker. Ich wurde sogar so stark, dass ich ganz vergaß, wer ich eigentlich war. Ich vergaß, was ich gerade tun und wohin ich gerade gehen wollte. Ich dachte nicht mehr über die Tasche auf dem Boden nach und lief los.
Ich denke nicht an die Tasche.
Ich denke nicht.
Ich denke nicht an schlechte Dinge.
Ich denke nicht.
Ich denke nicht.
Ich öffnete die Augen. Regen tropfte an meinem Körper herab. Ich war glücklich. Ich war glücklich.

5
Meine Mutter war stinksauer auf mich.
Ich hatte mich erkältet.
Ich bekam eine neue Tasche, ein neues Mäppchen und einen neuen Spiegel.