Udo Oskar Rabsch: Maria vom Schnee

Pressestimmen


„Schnee bedeckt die weite Flur. Eine weiße Decke liegt über allem, was Halt geben könnte. Sie ist kalt, sie ist hell, sie ist anziehend und abstoßend zugleich.“ Nichts ist greifbar im neuen Roman des Stuttgarter Arztes und Schriftstellers Udo Oskar Rabsch: die Handlung nicht, nicht die Form, nicht das Verhältnis von Wunsch und Wirklichkeit und nicht die Gefühle hinter den verdeckten Leidenschaften. Es ist ein vertracktes Spiel, von dem man liest.

 

Rabschs Buch will ein Kriminalroman sein, doch verliert er sich in der Sprache, die eine Landschaft beschreibt wie einen geliebten Körper. Und er verliert sich in einer Landschaft, die zu Sprache gefriert. Auch von der Verdrängung der Vergangenheit will der Roman erzählen - doch greift er weder die Nutznießer noch die Mitläufer des Nazi-Regimes an, die nach dem Krieg in ihre alten Funktionen zurückkehrten, sondern verliert sich im Wechselspiel zwischen den Zeiten, die angesichts des Immergleichen im dörflichen Alltag zu einer einzigen grauen Befindlichkeit zusammenfließen.

 

Vieles, lernt man, wird in hermetischen Gruppen wie dieser unter einer Decke gehalten, wie der Schnee hier eine ist. Lesend fällt man hinein in diesen Roman, der Grenzen verwischt, um sie zu überschreiten. Rabschs schöne, ruhige, mehrdeutige Bilder, die feinen Formulierungen sind Kunst für Genießer. …man [mag] von dieser sehr eigenen Winterreise mit ihren hochpoetischen Menschen, Charakteren, Außen- und Innensichten doch nicht lassen.

 

„Maria vom Schnee" ist ein schrecklich schöner Roman für die warme Stube an kalten Wintertagen.

 

(Susanne Benda, Stuttgarter Nachrichten)


Das Wetter kann einen Ort ins Abseits katapultieren wie ein Verbrechen. In seinem neuen Roman „Maria vom Schnee" ist es ein abgelegenes Dorf auf der Schwäbischen Alb, das der Stuttgarter Schriftsteller und Allgemeinarzt Udo Oskar Rabsch in diesen doppelten Ausnahmezustand versetzt. Dezember 1955 ist die Zeit der Handlung. Der Schnee fällt so dicht, dass sogar die Polizei mit dem Dienstwagen nicht weiterkommt.

 

Für die letzten Kilometer muss der Kommissar aus dem Tal sich die Skier anschnallen. Der Weg wird ihm so beschwerlich, dass er mitunter zweifelt, ob er sein Ziel noch erreichen würde. „Er hatte das Gefühl, sich einem Ereignis zu nahern, das ihn von seinem gewohnten Leben trennen würde."

 

Einen Mord soll es gegeben haben in dem Dorf auf der Hochebene, das so abgeschieden liegt, als wäre es „abgeschnitten von der ganzen Welt". Maria, die Kellnerin des Saalbau, Gegenstand der sexuellen Fantasien fast aller männlichen Einwohner, ist verschwunden. Und der Stall des Dorfschullehrers soll voll Blut gewesen sein. Aber natürlich steckt mehr hinter der Geschichte, als es auf den ersten Blick scheint. Der Dorfpolizist wäre überfordert damit.

 

Ansonsten sind Einsamkeit und Weite die einzigen Merkmale der Gegend, von der Kälte noch potenziert. „Es war eine verdächtig ruhige Landschaft." Die eisigen Flocken, die sich über die Häuser legen, wirken wie ein unerbittlicher, zusätzlicher Akteur, der den emotionalen Druck verstärkt. Der „Schneeglanz" verheißt dort oben keinerlei Beschaulichkeit. Es ist, als krieche die Kälte hinein in die Figuren und verändere ihr innerstes Wesen.

 

Der Ermittler ist kein Einheimischer. Er ist ein ehrgeiziger Aufsteiger aus einer Flüchtlingsfamilie und ein Räsonierer mit einer philosophischen Ader. Die Widersprüche der deutschen Nachkriegsgesellschaft drängen sich ihm auf - manchmal so ausführlich, als wäre der Kommissar nicht immer bei sich, sondern Objekt einer erzählerischen Instanz. „Ein deutsches Wintermärchen" lautet der Untertitel des Romans, der seinen Figuren durch die zeitliche Distanz eines halben Jahrhunderts eine weitere Schicht Abgeschiedenheit mitgibt. Es mag diesem zeithistorischen Hintergrund geschuldet sein, dass das Buch nicht als Krimi, sondern als Roman angekündigt wird.

 

Die Verschwundene, „das Zigeunerluder" ‚ wie sie im Dorf genannt wurde, ist eine von außerhalb wie der Kommissar. Wenn der mit der Objektivität eines Außenstehenden auf die verhockte Enge blickt, tritt er in kühlen Kontrast zum Erzähler, einem Jungen aus dem Dorf, der sich nicht heraushalten kann aus dem, was er beobachtet.

 

(Südwestpresse)