Organische Portraits

Leseprobe


schwellen verstehen

die tapetentür von der wir wussten
dass sie da ist aber weder wo
noch wann sie je geöffnet war
da weht mit einem mal ein luftzug durch
und wir verstehn den frühling
dieses muster auf der wand
und auch das eis am fensterglas
dass hinter räumen immer räume sind
und wetter nur papierner zimmerschmuck
wir sehn uns zu wie wir durch türen gehn
und einundzwanzig Gramm von uns
vergessen diese schwellen schnell
unsre geister sind wir selbst
so wie wir waren warten wie wir nie gewesen sind
sie alle schweben nebenher
bis unser schritt so leicht und wolkig ist
dass unter uns kein halm mehr knickt

(aus der Serie TARA EINUNDZWANZIG GRAMM FINAL)


20

                                           (ach Rilke)

Engel schweben im Labor deckenhell verweht
In klare Beutel eingefüllt der Horizont
Bojen im bittren Schlaf
Jeder Tropfen ein Nahen sickern sie
durch Schläuche durch Kanülen in uns ein
Sie atmen uns ein letztes Mal und
wandeln durch uns wie Erzürnte die ihre Form nicht fasst
Dann nehmen sie uns in ihrem Schreiten mit
und sie verlassen unsre Hüllen größer satter jetzt
und zerren uns die Wand hinauf
Wer wenn wir schrieen hörte uns denn
durch Gang und Flur geschleust
Rohrpost zwischen der Welt im Labor und der hinterm Glas
Selbst der Assistent der Flügelmacher schweigt ganz still
falls jemand andernorts die Wege kreuzt

 

(aus der Serie IN DER PETRISCHALE WIRD ES FRÜHER TAG)