Yoko Tawada: Sendbo-o-te

Pressestimmen (Auswahl)

Ein schönes Portrait der Autorin finden Sie hier als PDF (Literaturblatt Baden-Württemberg, März 2019)


  „Tawada frönt keinem Oje-Alarmismus […]  Ihre Sprache ist gewissermaßen autark geblieben, in ihr steckt der Keim unbefangenen Denkens und Schauens […]  Ebenso verweigert Tawada sich, als schriftstellerischer Idealwelt-Service zu fungieren. […]  ‚Ich möchte nämlich gern einmal alles mit anderen Augen sehen‘, sagt Yoshiro an einer Stelle. Eben dieses Angebot macht uns Tawadas außerordentlicher Roman: Er schärft unsere Vorstellungskraft auf eine Weise, von der wir noch gar nicht so recht wissen, wie nötig wir sie eigentlich haben.“ (Samuel Hamen, ZEIT-Online, 2.7.2019)


 „Ihr Übersetzer Peter Pörtner leistet überragende Arbeit ... Es sind  auf den ersten Blick fast lapidare Bemerkungen, aus denen in "Sendbo-o-te" eine Leichtigkeit entsteht, die das Fantastische nebensächlich normal und das Normale außergewöhnlich schön erscheinen lässt. ... Aber die ökologische und politische Katastrophe ist eben auch eine Katastrophe der Sprache. Das zeigt sich mit der Beiläufigkeit, die Tawada so großartig beherrscht, an Kleinigkeiten: Yoshiro arbeitet an einem Manuskript, das er letztlich vernichten muss, weil es zu viele Namen ausländischer Orte enthält und es ihm nicht gelingt, diese Namen durch andere zu ersetzen, denn "Ortsnamen verbreiten in einem Text feine Äste, wie Blutäderchen". In die Ökologie des Sagbaren ist der Körper genauso eingebunden wie in die der Umwelt, und beide beeinflussen sich wechselseitig: "Es war schwierig geworden, über das Wetter zu sprechen, seit sich Kälte und Hitze zu einer trockenen Feuchtigkeit zusammengetan hatten, die mit der Haut und der Sprache der Menschen ein übles Spiel treibt.".

Trotz aller Katastrophen ist "Sendbo-o-te" eine Dystopie mit utopischen Zügen ..."

(Lea Schneider, Süddeutsche Zeitung)


 "(Ihr Übersetzer Peter Pörtner) schafft es, für die Wortspiele und Sprachwitze unterhaltsam und klug die deutschen Pendants zu finden, so dass die Lektüre zu einem Genuss wird. Denn es geht bei Yoko Tawada immer wieder um die sprachliche Genauigkeit und das Spiel mit mehrdeutigen Worten und ihre verschiedenen Bedeutungsebenen.

Und es wird auch häufig sprachphilosophisch: 'Die Lebensdauer der Wörter wird immer kürzer. Dabei soll man aber nicht glauben, das beträfe nur die Fremdwörter. Denn auch unter den Wörtern, denen der Stempel „altmodisch“ aufgedrückt wird, sind solche, die keine Nachfolger finden.'

Fremdwörter und die Namen fremder Länder sind im postapokalyptischen Japan ohnehin ungebräuchlich geworden. Und so bietet sich im doppelten Sinne die Chance, zwischen den Zeilen zu lesen. Explizites ist in der japanischen Kultur und Sprache ohnehin nicht üblich und wird weit weniger geschätzt als kluge Andeutungen, die verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zulassen. Es gibt unzählige Anspielungen im Roman ..." (Barbara Geschwinde, WDR Mosaik, 23.1.2019)


"Der unbestechliche Charme und zugleich die Bedrohlichkeit des Romans liegen darin, dass er weder prophetisch noch prätentiös erzählt, wie Katastrophen zu einem normalen Alltag verblassen ... Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen der Welt, meinte er (Wittgenstein).. Die in Deutschland und Japan, also zwei sprachlich sehr unterschiedlichen Kulturen ansässige Yoko Tawada macht genau daraus einen Roman. Was im neuen Japan nicht benannt werden kann, geht zugrunde oder muss im schöpferischen Akt ins Leben zurückgerufen werden.

 

Mit Sendbo-o-te gelingt Tawada ein gleichsam urkomisches wie beängstigendes Werk über die Grenzenlosigkeit menschlicher Hinnahme und Anpassung." (Loreen Dalski, SWR 2, Lesenswert, 31.3.19)


Sorgensprösslinge

"... die Fragen, die er aufwirft, gehen über das Dystopische hinaus: Was zählt nach einer solchen Katastrophe? Wie geht die ältere Generation um mit ihrer Schuld, falsche Entscheidungen getroffen zu haben zu Lasten der folgenden? Und was passiert mit der Sprache in einem Land, das glaubt, sich kulturell abschotten zu müssen, nicht nur nach einer Katastrophe?

 Wie schon in „Etüden im Schnee“ (2014), einem Roman aus der Perspektive des berühmten Berliner Eisbären Knut, schlägt Tawada auch in diesem Roman wieder einen Perspektivwechsel vor, der das Selbstverständliche fremd macht: „Früher hat man anscheinend gedacht, dass es eine Degeneration sei, wenn die Menschen zu Kraken werden, aber in Wirklichkeit ist es ein Fortschritt.“ Er, Yoshiro, würde gern einmal alles mit anderen Augen sehen – zum Beispiel mit denen eines Kraken." (Ulrike Baureithel, Tagesspiegel, 6.1.19)


 "Zunächst muss vorweg erwähnt werden, dass es zwei Möglichkeiten gibt, Tawadas Buch zu lesen: Entweder, man liest zuerst den Klappentext oder Rezensionen. Dann wird aber schon sehr viel des Inhalts vorweggenommen. Spannender ist es, Sendbo-o-te ohne jegliche Informationen zum Buchinhalt direkt zu lesen: Nicht von Anfang an ist klar, in welchem Verhältnis die Protagonisten zueinander stehen und was ihnen und der Welt tatsächlich fehlt. Erst so langsam deutet sich vage an, dass die scheinbar so friedliche Welt alles andere als in Ordnung ist ..." (Friederike Krempin, japanliteratur.net, 19.7.19)


"Nein, eigentlich spielt er schon in der Gegenwart. Aber die habe ich mit etwas Fantasie auf die Spitze getrieben. Ich binkeine Science-Fiction-Autorin. Ich stelle mir nicht vor, wie die Welt in fünfzig oder hundert Jahren aussehen könnte. Das ist etwas für Naturwissenschaftler und für Politiker. Ich schaue mir bloß die japanische Gegenwart an. Dazu gehört Fukushima, aber auch dass die Menschen immer älter werden. Unsere Alten sind fit und wollen nicht aufhören
zu arbeiten. Im Vergleich dazu sind die jungen Japaner sehr viel schwächer. Schon die Kinder bleiben meistens im Haus und spielen kaum noch draußen.
Wenn man all dies in der literarischen Beschreibung ein bisschen intensiviert, dann ist man auch schon mitten drin in meinem Roman." (Yoko Tawada in einem Interview mit Katharina Borchardt, taz, 23.9.2019)