Yoko Tawada: Überseezungen

Pressestimmen


„Der Titel ist Programm: Yoko Tawadas zu Überseezungen zusammengefasste Texte handeln von der Zunge, der Sprache, den Buchstaben, dem Klang der Worte, dem Reden, dem Übersetzen, dem Denken. Sie schafft es wieder mit unglaublicher Präzision und Klarheit, die theoretischsten Sachverhalte verspielt, transparent und verständlich zu präsentieren, mit einleuchtenden Bildern, wie der fremden Sprache als durchsichtiger Wand: ‚man kann bis in die Ferne hindurchschauen, weil keine Bedeutung im Weg steht‘; so blickt die japanische, in Hamburg lebende Autorin immer als Fremde auf die Zivilisation mit ihren seltsamen Errungenschaften, schmeckt sinnlichen, kulinarischen Erfahrungen nach und hört fasziniert-phantasierend auf ihre Umgebung wie als Kind in die Muschel.“ (literaturblatt 3/2002)


„Die Frage: ‚In welcher Sprache träumen sie eigentlich?‘ wird ihr seitdem häufiger gestellt, als ihr lieb ist. Scheinbar ernsthaft ist Yoko Tawada ihr nachgegangen und hat eine Geschichte darüber geschrieben – eine von vielen literarisch-linguistischen Kleinodien, die in dem Band Überseezungen versammelt sind.“ (Kieler Nachrichten, 10.05.2002)


„Als ihr einmaI eine zu einem Termin zu spät gekommene Bekannte beinahe beschwörend‚ ‚alles erklären will‘, beschäftigt Tawada der Schuldton, der in dem Wort ‚erklären‘ steckt... Immer wieder entnimmt Tawada den Worten ein Vibrieren... durch ihre vollkommen unbefangene und gleichzeitig mehr als hellhörige Offenheit kann sie den einzelnen Sprachgestalten noch ganz andere als die uns vertrauten Physiognomien entlocken. Auch Tawadas unbeschwert dahinschlendernde Geschichten besitzen mehr Gesichter, als sie auf den ersten Blick preisgeben.“ (Neue Zürcher Zeitung, 09.07.2002)


„Ein übermütiges Buch, voller Anmut und Inspiration. Man liest in dem Titel die ‚Übersetzungen‘ mit, um die es immer auch geht, wenn die surrealistisch angehauchten Erzählungen die Zungen-Heldin auf andere Kontinente führt, nach Südafrika, in die USA und Kanada, zurück nach Japan und Deutschland (wo Yoko Tawada seit 1979 in Hamburg und anderswo lebt, vielmehr: wo sie besonders oft auf Reisen ist, müsste man sagen).

 

Immer erfährt man viel über Land und Leute, wie schon in ihren anderen Büchern und vor allem in dem erfolgreichen Essaybuch ‚Talisman‘, über die Spuren in den Wörtern, wenn Sprechweisen und Sprachbarrieren die an Benjamins Scharfsinn geschulte Autorin stutzen und staunen und spielerisch suchen lassen, und das in mühelosen Sätzen, die zugleich lebendig und ruhig sind, versehen mit dem Atem der Poesie und der Philosophie.

 

Ein vielschichtiges Unterwegssein und eine moderne Frauenexistenz sprechen aus diesem beschwingten Buch rund um Orte und Zeiten des Übersetzens, ob in einer südafrikanischen Sprachschule (beim Lernen des Afrikaans, weil das die Sprache der Träume sein soll, wie die Heldin erfahren hat), ob an einer amerikanischen Universität, ob bei dramatischen Konfrontationen auf der Straße oder in erotischen Sensationen.

 

Es ist die aufrichtige und doch listige Aufmerksamkeit, die besonders einnimmt, ein Horchen auf die Nebentöne, ein Mitlesen des tradierten semantischen Untergrunds, ein allseitiges Bereitsein für das Überraschende, das auch die Gefahr in Kauf nimmt. Es ist das Medium dieser Ich-Erzählerin, die sich zur Zunge bestimmt und zur Freundin, Verhaltensweisen aufdeckt, Hässlichkeiten, Schönheiten, geradezu zart umgeht, umgehen kann mit den Schwächen der Deutschen - es ist dieses Medium, das Erzählungen und Essays bindet und dem Zeitalter der Übersetzungen die ideale Gefährtin und die zwingende Metapher (im Titel) schenkt.

 

Der Geist dieses Reise-Buchs findet sich noch in seinem Äußeren, im haptilen Erlebnis seiner Schmiegsamkeit und der Weichheit seines Papiers und im Blick auf das Titelbild: Das Gesicht der jungen Frau vervollständigt sich, wenn man das Buch aufschlägt. Immer wieder möchte man das tun.“ (hd, text+kritik, Juni 2002)